BienenInterviewWissen

Die Honigbiene beschäftigt die Wissenschaft schon seit vielen Jahren. Einer der renommiertesten Bienenexperten ist der deutsche Wissenschaftler Jürgen Tautz. Er ist Professor am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und befasst sich in seiner Forschung intensiv mit der Bienenwelt. In unserem Interview mit Herrn Tautz möchten wir mehr über seine Sichtweise bezüglich dem wirtschaftlichen Nutzen der Bienen, die Möglichkeiten des Bienenschutzes sowie seine Erkenntnisse und Projekte hinsichtlich der Bienen erfahren.


Honig-und-Bienen.de: Sehr geehrter Herr Professor Dr. Tautz, Bienen und die Bienenforschung sind zentrale Punkte in Ihrer Biografie. Wie und wann sind Sie eigentlich zu den Bienen gekommen?
Prof. Dr. Tautz: Als 13-jähriger Schüler fand ich unter ausgemusterten Beständen einer zoologischen Sammlung einen kleinen Holzkasten mit Glasabdeckung, in dem ein Wabenstück und einige präparierte Honigbienen zusammengestellt waren. Ich konnte nicht glauben, dass die Bienen solche Waben bauen können und war absolut fasziniert. Eines der ersten Bücher, das ich von meinem Taschengeld kaufte, war das Buch des berühmten Bienenforschers Karl von Frisch, Du und das Leben, in dem auch vieles aufregendes zur Bienenkommunikation zu finden ist. Später als Doktorand war ich immer etwas neidisch auf Kommilitonen, die von deren Betreuern Themen zur Erforschung der Bienen bekommen hatten. So war der Boden besten vorbereitet, als mir Herr Martin Lindauer, selbst Schüler von Karl von Frisch, vor knapp 20 Jahren ein Bienenvolk schenkte mit den Worten: „Es ist ein großer Fehler, wenn sich ein Zoologe nicht mit Bienen befasst“. Vorangegangen waren einige Jahre gemeinsamer Autofahrten, für die ich Herrn Lindauer an seiner Wohnung abholte und abends nach der Arbeit vom Institut an der Universität Würzburg wieder zurück brachte. Dabei erzählte Herr Lindauer unablässig begeistert über die Bienen, was sich in einem enormen Stapel an Notizzetteln niederschlug, die ich jeweils abends zu Hause beschrieb und die dann zum Teil auch wichtige Ideen-Grundlage für etliche Arbeiten waren, die ich später mit meinen Studenten und Kollegen durchgeführt habe.


Wenn vom wirtschaftlichen Nutzen der Bienen gesprochen wird, denken viele zuerst an Honig, Wachs und andere Produkte. Auch das enorm wichtige Wirken als Bestäuber darf nicht vergessen werden. Sehen Sie bezüglich dem wirtschaftlichen Potenzial noch sogenannte Zukunftsfelder?

Die Bestäubung der Wildpflanzen und Kulturpflanzen durch Honigbienen ist eine Leistung, die so still und selbstverständlich verläuft, dass sie von den meisten Menschen gar nicht bewusst wahrgenommen, geschweige denn geschätzt wird. Die Pflege (und da wo nötig die Einrichtung) einer flächendeckenden gesunden Honigbienenpopulation ist wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung dieses, wie Sie zu Recht sagen „enorm wichtigen Wirkens als Bestäuber“. Dafür müssen günstige Bedingungen geschaffen oder aufrechterhalten werden. Das wachsende Interesse und Problembewusstsein stimmt hoffnungsvoll.


Abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt sind Bienen, so wie jedes andere Lebewesen, schützenswert. Nun stellen viele Chemiekonzerne mit ihren Insektiziden eine Bedrohung für die Bienen dar. Wie schätzen Sie die Chancen der Bienenschützer im Streit mit den Insektizid-Herstellern ein und worauf sollten die Bienenschützer ihr Engagement fokussieren.

Das Thema Insektizide ist hoch komplex und hat viele Facetten. Ich wünschte mir eine Form der Landwirtschaft, der es gelingt, die noch immer wachsende Menschheit satt zu bekommen und die ohne den Einsatz von Giften auskommt. Aber ist so etwas denkbar? Können biologische Methoden der Schädlingsbekämpfung nicht nur punktuell von überzeugten Landwirten, sondern flächendeckend in allen Bereichen des Ackerbaus eingesetzt werden, ohne dass es zu Massenvermehrungen von Schadinsekten kommt? Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es machbar wäre, wenn man die Spielregeln der Natur kennt und ihnen folgt.

Bienenschützer müssen parallel auf unterschiedlichen Feldern aktiv sein. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Imker, ohne deren persönlichen und finanziellen Einsatz das System nicht funktioniert. Die Landwirte sollten noch verstärkter als bisher dazu beitragen, den Bienen über die gesamte Bienensaison hinweg ein ausreichendes Nahrungsangebot zu geben. Die Chemiekonzerne sollten die Bienenproblematik in deren Forschungs- und Entwicklungsprogramme aufnehmen – in einem Umfang, der absolut gleichgewichtig und gleich aufwändig (auch finanziell) die Ziele Schutz der Nutzpflanzen und Schutz der Bienen umfasst. Die komplexe Problematik lässt sich nur miteinander und nur mit der Natur lösen. Wenn das nicht gelingt, verlieren am Ende ALLE!


Lassen Sie uns ein wenig über Ihre Forschung sprechen. Sie sind nun schon sehr viele Jahre mit der Erforschung der Biene beschäftigt. Was würden Sie rückblickend als Ihre bedeutendste Entdeckung bezeichnen?

Eine Arbeit, die mir persönlich wichtig ist, betrifft keine Neuentdeckung, sondern eine Wiederentdeckung alter Ideen, die über Jahrzehnte brach lagen: Honigbienen kommunizieren auch draußen im Feld, nicht nur im Stock, und helfen sich gegenseitig ein Ziel zu finden, das der Tanz nur ungefähr angeben kann. Zwei Beispiele für Neuentdeckungen, die mir persönlich wichtig waren, betreffen sehr unterschiedliche Arbeitsgebiete. Zum einen die Errichtung der beeindruckend regelmäßigen sechseckigen Zellen der Waben, die durch einen Selbstorganisationsprozeß bedingt durch das Aufheizen der rundlichen Rohformen während des Bauverhaltens entstehen. Zum anderen die Entdeckung, dass die Puppen der Honigbienen (wahrscheinlich als einzige Lebewesen überhaupt) über keinerlei Immunsystem verfügen. Somit kann sich jedes Bakterium, auch alle Nicht-Pathogene, in den Puppen ungehemmt vermehren und so die Puppen töten. Auch das macht Varroa als Überträger so gefährlich.


Derzeit arbeiten Sie an dem Projekt „HOBOS“. Um was genau handelt es sich dabei und welche Ziele verfolgen Sie dabei?

HOBOS ist bisher weltweit beispiellos in seiner Grundkonzeption und seinen konkreten Inhalten. Die non-profit Plattform pflegt zwei im Folgenden kurz umrissene Felder.

Forschen mit HOBOS
HOBOS (HOneyBee Online Studies, www.hobos.de) ist ein Labor, das bislang weltweit ohne Beispiel ist und das über das Internet allen Nutzern vollkommen neuartige Möglichkeiten eröffnet. Der freie Zugang zu allen Daten, live oder abrufbar über die Datenspeicher, ist Beispiel für eine Offene Wissenschaft, verfügbar für Grundlagenforschung und Ausbildung. Wissenschaftlern, Lernenden und einer breiten interessierten Öffentlichkeit wird ermöglicht, alle erfassten Vorgänge im Bienenstock zu verfolgen und über eigene Fragen Forschungen anzustellen. Als ein Resultat werden am Studium des Lebens der Honigbiene die Komplexität aber auch die Verletzlichkeit der Natur deutlich.

Lernen mit HOBOS
HOBOS ist ein fächer-, klassen- und schulartübergreifender Ansatz, der Schulen naturwissenschaftliches Arbeiten anhand eines echten Bienenvolkes und dessen Umwelt ermöglicht. So entsteht eine einzigartige Vernetzung von Online- und Offline-Welt. Das Studium der Honigbienenkolonie und ihrer Leistungen erlaubt im Unterricht an Schulen und Universitäten hervorragend einen Einstieg auch in nicht-biologische Fachgebiete, insbesondere der MINT-Fächer, was die Künstlichkeit von Fachgrenzen in einer in Wahrheit eng miteinander verwobenen Welt deutlich werden und die Notwendigkeit zu einem Blick über Fachgrenzen hinweg klar werden lässt. Die Honigbiene hätte man als Modell für einen interdisziplinären Unterricht erfinden müssen, wenn es sie nicht schon gäbe.


Konnten Sie auch für sich selbst interessante, bzw. neue Erkenntnisse aus dem HOBOS-Projekt gewinnen?
Da bei HOBOS Bienenvölker erstmal überhaupt rund um die Uhr und ganzjährig ungestört beobachtet werden können, ist alles, was man zu sehen bekommt, bisher so noch nie erforscht worden. Zum Teil werden dabei alte Ansichten bestätigt, es gibt aber auch sehr viel Neuland. Nur zwei Beispiele seien genannt: Ein Nutzer hat an seinem Bildschirm eine neue bisher unbekannte Schlafhaltung der Bienen entdeckt. Neu ist auch dies: Bienen heizen im Winter ihren Stock nach einem sehr effizienten Prinzip: Die meiste Zeit so kühl wie möglich halten und alle paar Tage bis auf 30 Grad hochheizen, wohl um dann den Honig besser aufnehmen zu können.


Herr Prof. Dr. Tautz, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben und weiterhin viel Erfolg mit Ihren Projekten! 
Unseren Lesern empfehlen wir den Besuch der Website http://www.hobos.de. Dort erfahren Sie mehr über das Projekt HOBOS.

 

 

JueŸrgen Tautz

Prof. Dr. Jürgen Tautz (Foto: A. Theismann)

Prof. Dr. Jürgen Tautz wurde am 6.10.1949 in Heppenheim/Bergstraße geboren. Er ist einer der führenden Bienenexperten Deutschlands und Professor am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er ist außerdem Gründungsvorsitzender des Bienenforschung Würzburg e.V. 

Herr Tautz ist Träger zahlreicher Auszeichnungen: beispielsweise wurde er 2008 von der Zeitschrift Cicero unter die 40 prominentesten Naturwissenschaftler Deutschlands gewählt. 2012 wurde er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit dem Communicator-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis gilt deutschlandweit als eine der wichtigsten Auszeichnung für die Kommunikation von Forschungsergebnissen in Medien und Öffentlichkeit.

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