Wenn du einen Imker fragst, ob er denn kaltgeschleuderten Honig anbietet, erntest du vermutlich entweder einen erstaunten oder verärgerten Blick. Es ist  überhaupt nicht möglich, Honig anders als kalt zu schleudern. Im folgenden Beitrag schauen wir mal direkt in einen Bienenstock, in dem die Ernte kurz bevor steht. Dazu nehmen wir Temperaturwerte, mischen dies mit der Logik und schon erklärt sich von selbst, warum der Zusatz “kaltgeschleudert” auf dem Honigglas-Etikett nicht nur sinnlos, sondern sogar unzulässig ist. 

Was bedeutet überhaupt “Honig schleudern”? 

Ganz kurz angerissen: Die Honig findet in den meisten Fällen durch “Schleudern” statt. Dazu entnimmt der Imker die vollen Waben, entdeckelt sie und setzt sie vertikal in spezielle Halterungen einer sogenannten “Honigschleuder”. Per Muskelkraft oder elektrisch treibt man die in den Halterungen sitzenden Waben an. So schleudert der Honig aus den Wabenzellen und sammelt sich am Bodenrand der Honigschleuder. 

Honig kaltgeschleudert? Immer.

Honigschleuder zum Ernten des Honigs

Vom Schmelzpunkt des Bienenwachs

Was hat jetzt das Bienenwachs mit dem Schleudern des Honigs zu tun? Ganz einfach, dazu schauen wir uns mal einige Aspekte an: Bienen packen den gesammelten Nektar oder Honigtau in Wabenzellen. Dort verflüchtigt sich ein Großteil des Wassergehaltes, so wird aus Nektar Honig. Da Bienen den Honig als Vorrat speichern, verdeckeln sie die Waben mit Wachs, sie verschließen also die Wabenzellen mit dem bieneneigenen Baustoff. Bienenwachs hat einen Schmelzpunkt von zwischen 50 und 63 Grad Celsius. Aus dem festen Stoff Wachs wird ab dieser Temperatur flüssiges Wachs – gut zu beobachten bei Kerzen. 

Honig kann nicht warmgeschleudert werden.

Bienenwachskerzen zeigen anschaulich, was bei Hitze passiert.

Käme der Imker jetzt mit einer Wärmequelle an, würde das Wachs schmelzen und die Wabenöffnungen verkleben. Oder das flüssige Wachs fließt zusammen mit dem Honig aus der Schleuder. Die dritte Variante wäre ein zerbrechen der Wabe in der Schleuder. Da Bienenwachs beim Erreichen von Normaltemperaturen rasant schnell wieder fest wird, vermag man sich vorzustellen, wie der Honig aussehen würde – er wäre schlicht nicht genießbar. Somit ist es also tatsächlich unmöglich, Honig anzubieten, der nicht kaltgeschleudert ist. 

So wird Honig geschleudert – und zwar ohne Hitzeeinwirkung:

 

Honig kaltgeschleudert – woher stammt der Mythos? 

Bis zum Jahre 2011 war es erlaubt, den Honig mit “kaltgeschleudert” zu deklarieren. Der Hintergrund dazu: Viele Industriebetriebe erhitzen den Honig  teilweise nach dem Schleudern tatsächlich, um ihn länger flüssig zu halten. Das gilt hauptsächlich für den günstigen Honig im Supermarkt oder Discounter, dessen Etikett hinten drauf die berühmte “Mischung aus EG- und Nicht-EG-Länder” beinhaltet. Das dabei die Vitamine und Nährstoffe zerstört werden, ist zwar schade, wird aber von der Industrie hingenommen.  Die Rechtsprechung verbot im Jahre 2011 den Zusatz “kaltgeschleudert” auf der Honigdeklaration und dem mussten sich dann auch große Firmen, die häufig in der Werbung zu sehen sind, beugen. 

Nur Honig kaltgeschleudert fließt so schön aus der Schleuder.

Honig kaltgeschleudert? Anders geht es nicht.

 

Welche Temperatur ist zum Schleudern ideal?

Die Honigschleuderung findet in der Regel bei etwa 25 – 30 Grad Celsius statt. Meist wurde der Begriff gerne genutzt, da sich ein “kaltgeschleudert” nach einem Qualitätskriterium anhört, ähnlich wie das “kaltgepresst” beim Olivenöl. Es ist aber tatsächlich nichts anderes als eine Täuschung des Verbrauchers, was glücklicherweise rechtlich auch so untermauert wurde. 

Am besten kaufst du deinen Honig nicht in der “Günstig-Abteilung” des Supermarktes ein, sondern entweder direkt beim Imker oder in einem Shop, der ebenfalls regionalen Honig anbietet. Dann kannst du sicher sein, dass im Honig noch alle Nährwerte vorhanden sind. Und es handelt sich auch um keine Mischung irgendwelcher Länder, sondern um eine regionale Spezialität, die jeden Cent ihres Preises wert ist.