BienenInterviewWissen

Als Imker kennt man seine Bienen sehr gut, schließlich beschäftigt man sich intensiv mit ihnen. Aber auch die Wissenschaft interessiert sich für die Bienenwelt. Möglicherweise kann die Biene als Forschungsgegenstand den Imkern sogar vorteilbringende Erkenntnisse liefern. Prof. Dr. Randolf Menzel ist Leiter des neurobiologischen Instituts der Freien Universität Berlin. In seine Forschung befasst er sich mit verschiedenen Aspekten aus der Welt der Bienen. In unserem Interview befragen wir Herrn Menzel zum einem über das Bienensterben und die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Zum anderen interessieren wir uns für seine aktuellen Forschungsgegenstände hinsichtlich der Bienen und die daraus resultierenden Erkenntnisse.


Honig-und-Bienen.de: Sehr  geehrter Herr Prof. Dr. Randolf Menzel, Sie beschäftigen sich schon seit langer Zeit mit den Bienen. Wann und wie kam es dazu, dass Sie sich mit den Bienen so intensiv beschäftigen?
Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel: Als Student der Biologie habe ich mich für die Vorgänge im Gehirn beim Menschen und bei Tieren interessiert, die mit dem Lernen und der Gedächtnisbildung zusammen hängen. Außerdem bin ich schon als Schüler Hummeln hinter her gelaufen und war immer wieder verwundert, dass sie überwiegend an der gleichen Blumensorte Nektar und Pollen sammelten. Das hat mich gewundert, denn die eine Hummel bevorzugte dabei häufig eine andere Blumensorte als eine andere Hummel. Es war mir schon klar, dass das mit dem Lernvermögen und der Erinnerung der einzelnen Hummeln zusammen hängen muss, denn angeboren konnte es nicht sein. Im fortgeschrittenen Biologie-Studium hatte ich das große Glück, dass ein berühmter Bienenforscher, Professor Martin Lindauer, an meine Universität nach Frankfurt kam. Da er sich auch für das Lernen von Bienen interessierte konnte ich bei ihm eine Doktorarbeit beginnen, in der es sich um das Lernverhalten von Farben bei Bienen handelte. Obwohl ich anfänglich nur ihr Verhalten studierte wollte ich schon sehr frühzeitig damit beginnen, in ihr Gehirn zu schauen wenn sie lernen und ein Gedächtnis bilden. Das hat mich dann mein ganzes „Forscherleben“ beschäftigt.


Nun beobachten wir ein regelrechtes Bienensterben – die Bienen verschwinden. In Amerika nutzt man sogar Bezeichnungen wie „Colony Collapse Disorder“ (zu übersetzen mit: Bienenvolk-Kollaps). Worin sehen Sie die Hauptursachen für das Bienensterben und wie können wir am besten dagegen vorgehen?
Zum Glück gibt es nur unter sehr besonderen Bedingungen ein echtes Bienensterben, aber es ist richtig, dass die Imker sehr viel größere Mühen aufbringen müssen, um Ihre Bienenvölker gesund zu erhalten. Dafür gibt es mehrere Gründe, deren Zusammenwirken sich fatal auswirken können – und diese Auswirkungen schlagen sich nicht nur in dem Collony Colaps Syndrom (CCS) nieder. An erster Stelle stehen ganz gewiss die in der Landwirtschaft so massiv eingesetzten Pestizide. Dann kommt die Verarmung unserer Landschaft an natürlichen Standorten dazu. Ein dritter Faktor sind Bienenkrankheiten, die durch die Parasitierung mit einer Milbe (Varoa) verstärkt werden können. Unter den Pestiziden sind es vor allem die sogenannten Neonicotinoide, die die Bienen schädigen und zwar auf mehreren Ebenen gleichzeitig: bei der Fruchtbarkeit der Königin und Drohnen, der Entwicklung der Larven, der Immunabwehr der Arbeiterinnen und (was mich besonders interessiert) dem Lernverhalten, der Gedächtnisbildung, der Navigation und der Tanz-Kommunikation der Sammlerinnen. Diese Neonicotinoide sind Gehirndrogen, die nach der Aufnahme höherer Dosen (die aber immer noch im Nannogramm Bereich liegen) töten, bei chronischer Aufnahme von winzigsten Dosen das Verhalten so stören, dass das ganze Volk beeinträchtigt ist. Zu allem Übel wirken diese Pestizide noch viel stärker auf Hummeln und Wildbienen. Ihre Wirkung wird dadurch verstärkt, dass sie sich im Boden anreichern, nur zu einem sehr geringen Teil von der Pflanze aufgenommen werden (was dazu führt dass große Mengen eingesetzt werden müssen) und in die Flüsse, Seen und Teiche gelangen, wo sie wiederum zum Absterben von Planktonorganismen (dem Futter der Fische) führen. Sie sind aus meiner Sicht, zusammen mit dem Herbizid Glyphosat, eines der allergrößten Probleme unserer industrialisierten Landwirtschaft.


Als einer der renommiertesten Bienen-Forscher arbeiten Sie stets an der Erforschung der Bienen. An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit – worum geht es dabei und welche Ergebnisse erhoffen Sie sich?
Wie sind ja Neurobiologen, die sich für die Gehirnvorgänge interessieren, die den besonders intelligenten Verhaltensweisen der Bienen zugrunde liegen. Allerhand wissen wir schon über solche Vorgänge, die im Gehirn zur Anpassung des Verhaltens durch Lernen führt, aber nahezu gar nichts ist uns bekannt, wie das Sozialverhalten der Bienen und ihre Navigation vom Gehirn gesteuert wird. Daher bemühen wir uns zurzeit vor allem darum, die Vorgänge im Bienen Gehirn zu registrieren, wenn sie sich in einer Kolonie frei bewegen können und wenn sie in der Landschaft navigieren. Sie werden sich denken können, dass dies keine einfache Aufgabenstellung ist, denn das Bienen-Gehirn ist ja nun wirklich ziemlich klein. Aber wir kennen dieses kleine mit etwa 1 Million Nervenzellen ausgestattete Gehirn schon recht gut, und wir haben Methoden entwickelt, die zwar immer weiter verbessert werden müssen, die es uns aber bereits erlauben, die Aktivität von einzelnen Nervenzellen zu registrieren während die Tiere ihrem natürlichen verhalten nachgehen.


Sie haben sich auch mit dem Thema „Intelligenz der Bienen“ beschäftigt. Das klingt sehr interessant und verspricht weitreichende Erkenntnisse in Bezug auf Bienen – auch für Personen, die sich nicht wissenschaftlich mit Bienen auseinandersetzen. Was sind die Kernpunkte und Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit diesem Thema?
Die Intelligenz der Bienen schlägt sich in der Reichhaltigkeit ihrer Sinneswahrnehmungen, in ihrem beeindruckenden Verhaltensrepertoire und in ihrem Lernverhalten nieder. Karl von Frisch und seine Schüler haben über nahezu 100 Jahre eine Fülle von Befunden über das Sehen, Riechen und Fühlen der Bienen erarbeitet. Aus diesen und vielen Studien danach wissen wir, dass Bienen z.B. in einer Welt von prächtigen Farben leben, die zwar anders ist als unserer Farbwelt, aber nicht weniger reichhaltig. Außerdem können sie Sehphänomene wahrnehmen, die wir nicht direkt erleben, wie z.B. das Muster des polarisierten Himmelslichtes. Wie elegant Bienen Nektar und Pollen sammeln, dabei schnell  lernen besonders effektiv die Blüten zu manipulieren, und mit vielen Widrigkeiten (Windstöße, schwankende Blüten) zurechtkommen wird besonders eindrucksvoll, wenn man ihre rasanten Bewegungen durch Verlangsamung sichtbar macht. Ihr Lernen beschränkt sich nicht auf einfaches Verknüpfen von Sinnesreizen und Reaktionsweisen. Sie bilden Wahrnehmungskategorien (z.B. symmetrisch gegen nicht symmetrisch), können Regeln extrahieren und entwickeln Erwartungen über die Veränderung in der Zeit. Ihre Intelligenz wird zweifellos besonders deutlich wenn sie navigieren und wenn sie über Orte in der Umwelt mit ihren Schwänzellauf kommunizieren. Ihr beeindruckendes soziales Leben wird vor allem durch angeborene und recht stereotype Verhaltensweisen gesteuert. Insofern zeigt sich die Intelligenz der Tiere besonders dann, wenn das Tier auf sich alleine gestellt ist und sich in einer ständig ändernden und komplizierten Umwelt zurechtfinden muss.


Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was beeindruckt Sie an den Bienen am meisten?
Die Winzigkeit ihres Gehirns und dessen Leistung – ein großes Rätzel. Wie kann ein gerade einmal 1 mm3 kleines Gehirn mit knapp 1 Million Nervenzellen solche kognitive Leistungen erbringen? Ich hoffe die vielen Bienen-Forscher in der Zukunft kommen diesem Rätsel auf die Spur.


Herr Prof. Dr. Randolf Menzel, ich bedanke mich recht herzlich bei Ihnen, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und alles Gute bei Ihrer Forschung! 
Für unsere Leser: Wenn Sie sich für die Forschungsprojekte von Herrn Menzel interessieren, lohnt sich auch ein Blick auf einige seiner Publikationen und wissenschaftlichen Aufsätze zu werfen. Hier ein paar Beispiele: Honey Bees‘ Behavior Is Impaired by Chronic Exposure to the Neonicotinoid Thiacloprid in the FieldOdor learning and odor discrimintion of bees selected for enhanced hygienic behavior oder The memory structure of navigation in honeybees.

 

 

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Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel (Foto: privat)

Prof. Dr. Dr. h.c. Randolf Menzel ist Leiter des neurobiologischen Instituts der Freien Universität Berlin. Seine frühere Dissertation über das Farbenlernen bei Bienen ist preisgekrönt. Er gilt als einer der weltweit führenden Forscher hinsichtlich des Nervensystems der Bienen.

Menzel ist u.a. Träger des u.a. Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Schwerpunkt von Menzels Arbeit ist die neurowissenschaftliche Erforschung des Gedächtnisses der Bienen. Er ist zudem Gründungsmitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

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